Der rheinische Schalk Eulenspiegel kam einst auch nach Dasburg. Der Burgvogt Hubertus Weingart traf das fremde Gesicht in der Nähe seiner Burg und erkundigte sich mit grimmiger Neugier nach dem Woher und Wohin.
Er sei auf dem Neuerburger Markt gewesen, gab Eulenspiegel bescheiden zur Antwort. "War der Markt groß?" wollte Weingart wissen. "Ich hatte kein Maß, ihn zu messen", entgegnete der Schalk. Der Burgvogt schluckte den aufsteigenden Ärger über den Tölpel hinunter und knurrte belehrend: "So war das nicht gemeint, ich wollte wissen, ob viele Leute dort waren!" "Ich hatte keine Zeit, sie zu zählen", entgegnete Eulenspiegel. Da merkte der Vogt, daß er einem Schalk aufgesessen und beschloß, ihn für das respektlose Benehmen zu bestrafen. Weingart versuchte, sein Gesicht in freundliche Falten zu legen. "Dort drüben ist meine Burg", sagte er, "komm morgen um diese Zeit zu mir, dann darfst du von dem feinen Wein, der in meinem Keller liegt, einen besonders großen Zug tun!" "Das werde ich nicht vergessen", sagte Eulenspiegel und macht dem abgehenden Burgvogt eine artige Reverenz.Am nächsten Tage setzte Eulenspiegel pünktlich den schweren Türklopfer am Burgtor in Bewegung. Der Vogt hatte indessen einem Diener den Auftrag gegeben, Eulenspiegel sofort in den Keller zu führen, ihn aus dem Weinkrug einen Schluck tun zu lassen, beim zweiten Schluck aber einen Prügel zu nehmen und tüchtig auf ihn loszuschlagen. Der Diener führte also Eulenspiegel in den Keller und reichte ihm eine Kanne Wein.
Eulenspiegel tat einen Zug, der
seiner rheinischen Heimat alle Ehre machte, ließ dabei seine Augen aber
nicht von dem Diener. So merkte er rechtzeitig, wie dieser nach einem
Prügel in der Kellerecke griff. Flugs ließ Eulenspiegel die Kanne
fallen, riß mit aller Kraft den
Zapfen aus einem großen Weinfaß und warf ihn weit weg. Plätschernd
ergoß sich das edle Naß in den Keller. Der Diener, wohl wissend, wie es
um das Temperament seines Herrn bestellt war, versuchte den Wein zu
retten und drückte seinen Daumen in das Spundloch.
Da ergriff Eulenspiegel den Stock und prügelte den Diener tüchtig
durch. Dessen Schmerzgeschrei drang durch die dicken Kellerwände bis zu
den Ohren seines Herrn, der sich, in Verkennung der tatsächlichen
Umstände, weidlich an dem Gebrüll ergötzte. Schließlich nahm
Eulenspiegel noch zwei dicke Schinken, die im Keller an der Wand
hingen, stopfte sie vorn und hinten in die Jacke und ging so,
offensichtlich voller Beulen, aus dem Schlosse. Dabei setzte er das
Gebrüll des Dieners mit nicht minderer Lautstärke fort.
Burgwart Weingart stand am Fenster und genoß mit dröhnendem Lachen den kläglichen Abzug. "So, jetzt hast du wohl für einige Zeit genug", schrie er dem Schelm nach. "Jawohl, Herr," rief Eulenspiegel am Burgtor zurück, "jetzt haben meine Mutter und ich mindestens für vierzehn Tage genug!''
(c) Hans Theis, Neuerburg